Ein kleines Rind aus dem 1. Jahrhundert nach Christus ist bei Grabungen in Bornim gefunden worden. Und das war nicht die einzige Überraschung. von Valerie Barsigund Birte Förster
Potsdam – Die Bronzefigur ist so klein, dass sie auf ein Wattepad passt – die Überraschung über den Fund in Bornim war bei Fachleuten umso größer: Von einer „mittleren Sensation“ sprach die Archäologin Karoline Müller am Dienstag bei einem Pressetermin vor Ort an der Ausgrabungsstätte in der Heckenstraße: „So etwas habe ich noch nicht gefunden.“ Etwa drei Zentimeter lang ist die kleine Rinderfigur. An deren Kopf haben die Archäologen ein Loch entdeckt, durch das die Drähte für die Hörner geführt worden seien.
Auf den ersten Blick erinnert das Miniaturrind an eine kleine Spielfigur. Sie ist aber eher dem Bereich Kult und Brauchtum zuzuordnen, erklärte Torsten Dressler, Leiter des Archäologiebüros ABD-Dressler, das die Ausgrabungsarbeiten durchführt. Die Figur habe einen symbolischen Wert: „Mit den Hörnern konnte man sich brüsten und schmücken.“ Heute sei das ein potenzielles Museumsstück. Dabei gelangte das seltene Exemplar nach Ansicht der Experten im frühdeutschen Mittelalter mit in eine Abfallgrube.
War das Rind ein Mitbringsel?
Die Figur ist viel älter: Sie sei germanischen Ursprungs und stamme wahrscheinlich aus dem 1. Jahrhundert nach Christi, erklärte Karoline Müller. Ähnliche Miniaturrinder sind bisher vor allem in Mecklenburg-Vorpommern sowie im Havelland gefunden worden. In einem nächsten Schritt müssten die Archäologen nun herausfinden, ob die Figur in der Region hergestellt wurde oder ob es sich dabei um ein Mitbringsel von ganz woanders handelt. „Das ist für mich eine brennende Frage“, sagte Dressler.
Anfang September haben die Ausgrabungen in Bornim begonnen. Die Untersuchungen, die bis zu zwei Meter in die Tiefe gehen, wurden von der Denkmalschutzbehörde beauftragt. Seit Ende des 19. Jahrhunderts wurden in der Gegend immer wieder Zeugnisse der frühen Besiedlung des Ortes entdeckt. Da an der Stelle ab 2020 zwei Mehrfamilienhäuser mit insgesamt 18 Wohnungen gebaut werden sollen, sind die vorhergehenden archäologischen Untersuchungen nötig. Die Kosten dafür, die sich derzeit auf 40.000 Euro belaufen und je nach Verlauf der Arbeiten noch steigen können, übernimmt der Bauherr, die Kirsch und Drechsler Hausbau GmbH.
115 Fund aus drei Epochen
Die Bronzefigur war nicht die einzige Entdeckung bei den Ausgrabungen: Auf insgesamt 115 Funde aus drei Epochen sind die Archäologen bislang gestoßen. Dazu zählen auch zwei Holzkastenbrunnen, die in den Gruben zu sehen sind. Dort waren den Archäologen erst unregelmäßige Verfärbungen aufgefallen, dann stießen sie schließlich auf Steine und ineinander verzahnte Holzstücke.
Der quadratische Kastenbrunnen stamme aus der frühen Neuzeit, erklärte Müller. Er lasse sich mit dem unweit gelegenen Gutshof von Kurfürst Friedrich Wilhelm in Verbindung bringen. Ein Plan des dortigen Amtsvorwerkes – das ist ein landwirtschaftlicher Betrieb, der zu einer kurfürstlichen oder königlichen Verwaltungseinheit gehört – aus dem Jahr 1765 hat Aufschluss über den Ort gegeben: Demnach befanden sich zur damaligen Zeit im Bereich der Grabungsfläche Pferde-, Ochsen- und Schweineställe.
Mit Brunnenfunden hätten sie daher auch gerechnet, sagte Müller. Schließlich sei ihnen bekannt gewesen, dass in diesem Bereich mehrere Brunnen gebaut worden seien. In einem der Holzkastenbrunnen gab es eine weitere Überraschung: Die Archäologen entdeckten dort eine mehrfarbig glasierte Ofenkachel aus dem 16. Jahrhundert, was für einen gewissen Wohlstand und gehobene Ausstattung auf dem Gutshof spricht. „Das findet man ziemlich selten“, sagte Müller.
Auch Haushaltskeramik aus Kaiserzeiten war dabei
Bei genaueren Analysen des Brunnens, die noch folgen sollen, könne fast bis auf das Jahr genau bestimmt werden, von wann genau der Brunnen stamme, erklärte Müller. Das trifft auch auf die zahlreichen Keramikstücke zu, die im Zuge der Ausgrabungen entdeckt wurden. Dabei handele es sich um Haushaltskeramik aus Kaiserzeiten, sagte Dressler. Etwa zwei Gefäße könnten sie aus den zahlreichen Bruchstücken wieder zusammensetzen. Anhand der Verzierungen, die dann wieder erkennbar sein werden, könnten sie die Fundstücke zeitlich recht genau datieren. Erkenntnisse über die Funde würden auch Vergleiche mit anderen Keramikgefäßen aus der Kaiserzeit liefern, so der Archäologe. Bislang steht allerdings schon fest, dass es sich bei den ältesten Fundstücken um Fragmente eines Gefäßes aus der Zeit um Christi Geburt handelt, vom ersten vorchristlichen Jahrhundert bis zur römischen Kaiserzeit, also vom 1. bis zum 4. Jahrhundert.
Wie lange die Ausgrabungen noch dauern, hängt vom Verlauf der Arbeiten und weiteren möglichen Funden ab. Was nach Abschluss der Ausgrabungen mit den Funden passiert und ob diese später womöglich in Museen ausgestellt werden, obliegt dem Brandenburgischen Landesamt für Denkmalpflege.