Immer mehr Menschen wohnen zur Miete: Studie warnt vor Altersarmut wegen geringer Eigentumsquote

Reihen- oder Doppelhäuser kosten in der Regel weniger als frei stehende Eigenheime. Durch gemeinsam genutzte Dächer und Wände wird die Herstellung deutlich preisgünstiger.
© Dornieden Gruppe/txn

Die Lage auf den Mietmärkten wie Berlin ist so angespannt, weil die Politik den Kauf von Immobilien nicht genug fördert. Das hat einer Studie zufolge gefährliche Auswirkungen auf die Altersvorsorge.

Die Bildung von Wohneigentum wird angesichts hoher Baupreise und mangels Förderung für breite Schichten der Bevölkerung fast unerschwinglich. Damit werden die Mietmärkte vor allem in den Großstädten weiter belastet. Zwischen 2010 und 2022 stiegen die Preise für selbst genutztes Wohneigentum in Deutschland nach amtlichen Angaben um knapp 89 Prozent.

Europaweit liegt Deutschland bei der Eigentumsquote vor der Schweiz auf dem vorletzten Platz. Doch diese ohnehin schon geringe Eigentumsquote geht aktuell weiter zurück. Im Jahr 2022 wohnten nur noch 43,6 Prozent der Haushalte in den eigenen vier Wänden, gut ein Prozentpunkt weniger als 2011.

Es wächst eine „Generation Miete“ heran

Damit droht in Städten wie Berlin perspektivisch eine Verschärfung der Altersarmut. Steigende Mieten werden für Seniorenhaushalte in Deutschland zunehmend zu einer finanziellen Belastung. Das sind die zentralen Befunde einer Studie des Pestel-Instituts (Hannover), die am Montag auf der Münchner Messe „Bau“ veröffentlicht wurde. „Für viele Seniorenhaushalte wird die Miete zur K.O.-Miete“, sagte Studienleiter Günther mit Blick auf ältere Mieter, die sich ihre Wohnungen nicht mehr leisten können und deswegen umziehen müssen.

Auftraggeber der Studie „Wohneigentum in Deutschland“ war der Bundesverband Deutscher Baustoff-Fachhandel (BDB). Er äußerte sich auf Nachfrage nicht dazu, warum er die Studie in Auftrag gegeben hat.

Den Angaben des Instituts zufolge liegt die Eigentumsquote hierzulande bei 44 Prozent. Sie ist damit so niedrig wie seit 15 Jahren nicht mehr. Der BDB forderte öffentliche Förderungen und Steuererleichterungen, um mehr Haushalten den Kauf eines Eigenheims zu ermöglichen. Der Bund müsse Wohneigentum künftig als festen Baustein der Altersvorsorge berücksichtigen: „Der soziale Effekt der ‚Beton-Rente‘ wird von Sozial- und Wohnungsbaupolitikern immer noch ignoriert. Das ist fatal“, sagt Matthias Günther, Geschäftsführer des Pestel-Instituts.

In Berlin lag die Eigentümerquote laut Zensus 2022 bei 15,8 Prozent; die Zahl der Mieterhaushalte stieg von 1.523.854 (2011) auf 1.663.184. Auch in Potsdam gibt im Vergleich zum Umland Berlin nur wenige Eigentümer. Die Quote lag vor zwei Jahren bei 17 Prozent.

Fast 85 Prozent der Berliner sind Mieter

Ganz anders als in Berlin dagegen die Situation in Potsdam-Mittelmark und weiteren Landkreisen im „Speckgürtel“. Während in Potsdam-Mittelmark 58,4 Prozent der Haushalte im Eigentum leben, sind es in den übrigen Umlandgemeinden meist um die fünfzig Prozent. Die vom Pestel-Institut vorgelegten Zahlen zeigen: Wer seinen Haushalt nach Berlin verlagert, landet zumeist in einer Mietwohnung. Wer dagegen ins Berliner Umland zieht, bildet dort häufig Eigentum. Verallgemeinernd lässt sich sagen, dass jeder Zweite, der im Berliner Umland seine Heimat sucht, Eigentümer wird (oder bleibt).

Laut einer Studie des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW Köln) verfügen heute weniger junge Menschen über Wohneigentum als früher: Nur 30,4 Prozent der unter 50-Jährigen haben ein eigenes Haus oder eine Wohnung. Bei den Älteren ist der Anteil mit 57 Prozent beinahe doppelt so hoch. Als Gründe gelten die gestiegenen Immobilienpreise sowie die Zinsentwicklung.

Die Herbstumfrage des Verbands der Privaten Bausparkassen zeigte 2024, dass die Bildung von Wohneigentum nur noch bei 33 Prozent aller Bundesbürger ein Sparmotiv darstellt – deutlich hinter dem Motiv Altersvorsorge (56 Prozent) und Konsum (45 Prozent). Dies ist ein markanter Rückgang um elf Prozentpunkte gegenüber der Vorjahresbefragung, obwohl die Bauzinsen seitdem rückläufig sind.

„Eine Eigentumsquote von 50 Prozent und mehr wie in Österreich, den Niederlanden und Schweden würde vor allem auch mehr soziale Stabilität bringen“, sagte Institutsleiter Matthias Günther (Pestel-Institut). „Was wir aktuell an staatlicher Förderung einsparen, müssen wir für die Sozialsysteme – fürs Wohngeld – wieder ausgeben. Grundsicherung im Alter ist Armut bis zum Tod.“ Nach einer ersten Sichtung insgesamt geben die Wahlprogramme der Parteien zum Thema Wohnungsbau insgesamt herzlich wenig her“, sagte er.

IW Köln und Empirica bestätigen Befunde aus Hannover

Michael Voigtländer, Immobilienökonom am IW Köln, bestätigt den Befund seiner Kollegen aus Hannover im Grundsatz. „Mehr Wohneigentum würde auch zur Vermeidung der Altersarmut beitragen.“ Allerdings dürften auch bei einer besseren Unterstützung der Wohneigentumsbildung viele, gerade Einkommens-ärmere Haushalte, kein Wohneigentum bilden. Altersarmut ließe sich treffsicherer über Beschäftigung lösen, sagt der Wissenschaftler. Wichtiger sei aus seiner Sicht eine gleichmäßigere Verteilung der Vermögen. Alle internationalen Erfahrungen zeigten, dass in Ländern mit höherer Wohneigentumsquote die Akzeptanz der Marktwirtschaft gesteigert werde.

Förderung von Wohneigentum umstritten

„Wir brauchen Fördergelder, die dazu führen, dass sich Leute, die sich den Bau nicht leisten können, ihn sich dann leisten können“, sagte Christian Bruch, Geschäftsführer Deutsche Gesellschaft für Mauerwerks- und Wohnungsbau (DGfM): „Es braucht eine breite Förderung ohne Mitnahmeeffekte.“ Der Staat müsse nicht Eigentümer fördern, die einen höheren Baustandard erreichen wollten, indem sie einen höheren Schallschutz oder eine noch bessere Wärmedämmung einbauen lassen.

Die aktuell geltende Förderpraxis hält Reiner Braun, Vorstandsmitglied des Beratungsunternehmens Empirica, das Daten für den Immobilienmarkt sammelt und auswertet, ebenfalls für unzureichend. „Es gibt zwar eine Menge Förderprogramme: KFN (Klimafreundlicher Neubau), KNN (Klimafreundlicher Neubau im Niedrigpreissegment), WEF (Wohneigentum für Familien), Jung kauft Alt, klassischer KfW-Wohneigentumskredit, bei denen zum Teil auch Einkommensgrenzen gelten“, sagt er. Aber die Masse der Programme fördere eine höhere Energieeffizienz und nicht den eigentlichen Erwerb von selbst genutztem Wohneigentum – so wie früher Baukindergeld oder Eigenheimzulage.

Allein der klassische KfW-Wohneigentumskredit mache keine Auflagen hinsichtlich der Energieeffizienz, aber der werde zu Marktzinsen vergeben und sei daher gar keine Förderung, sagt Braun: „Die Förderung ist ein Scheinriese, je näher man sie betrachtet, desto kleiner wird sie.“ Immerhin: Der Bau von Mietwohnungen wird mit degressiver AfA nicht unerheblich gefördert.

Zugang zu Wohneigentum ist zu teuer

IW-Wissenschaftler Voigtländer sieht Förderungen kritisch. „Denn im Endeffekt würde das bedeuten, dass eine Umverteilung von Mietern zu Wohneigentümern vorgenommen wird, was kaum zu begründen ist.“ Besser sei es, den Zugang zu Wohneigentum zu erleichtern. Er zielt damit vor allem auf die Erwerbsnebenkosten. Allein die Grunderwerbsteuer beträgt in Berlin sechs Prozent des Kaufpreises. „Hier anzusetzen, über einen Freibetrag bei der Grunderwerbsteuer, Eigenkapital-ersetzende Darlehen oder ähnliche Instrumente wäre sinnvoll“, sagt er auf Anfrage.

Reiner Braun kann die Studie des Pestel-Instituts und deren Thesen nachvollziehen. „Selbstnutzer haben bei identischem Einkommen am Vorabend des Ruhestandes ein vielfach höheres Vermögen“, sagt Braun auf Anfrage. Das sei möglich, weil sie schlicht mehr sparen als vergleichbare Mieter. Insbesondere gelte das in Großstädten ab 500.000 Einwohner: Hier sind die Mieten besonders hoch.

Dieser akademische Befund wird durch aktuelle Marktdaten nach Sichtung der Angebote aus Immoscout, Immowelt, Ebay Kleinzeigen und anderen gestützt. Für Berlin verzeichnete die Quelle

GeoMap von der Real Estate Pilot AG am Donnerstag spannende Entwicklungen: nämlich einen zehnprozentigen Anstieg der Mietpreise von 2023 zu 2024, 49 Prozent mehr Mietangebote im Jahr 2024 und einen 23-prozentigen Anstieg der Preise von 2022 zu 2024.

Für diese Analyse wurden über 2,3 Millionen Mietangebote aus den Jahren 2023 und 2024 nach Gemeinden ausgewertet. Der Suchparameter bezog sich aus Gründen der Vergleichbarkeit der Angebote auf Bestandswohnungen, ohne möblierte Objekte, zwei bis vier Zimmer.

Voigtländer bestätigt die Einschätzung des Pestel-Instituts, dass der Mietwohnungsmarkt über die Wohneigentumsbildung entlastet wird. „Schließlich ist der Druck im Mietwohnungsmarkt vor allem deshalb so groß, weil viele Menschen, die eigentlich Wohneigentum gebildet hätten, aufgrund der gestiegenen Zinsen in den Mietwohnungsmarkt gewechselt sind.“

Zeitweiser Konsumverzicht besser als dauerhafter

Sein Kollege Braun (Empirica, Berlin) hebt auf Anfrage die Effekte hervor, die Eigentumsbildung bewirken: „Der Bezug eines selbstgenutzten Neubaus macht eine Mietwohnung frei, in die ein Mieter ziehen kann, der bislang kleiner, beengter und/oder in schlechterer Lage gewohnt hat. Der wiederum macht ebenfalls eine Wohnung frei“.

Eine vorsichtige Abschätzung des Forschers ergibt, „dass durch jedes neu gebaute Eigenheim bereits nach drei Umzugsgliedern 3,33 Haushalte ihre Wohnsituation verbessert haben“. Dabei seien die nachrückenden Haushalte in aller Regel einkommensschwächer und jünger.

In einer Modellrechnung verglich das Pestel-Institut für seine aktuelle Studie zwei Haushalte mit identischem Durchschnittseinkommen aus je einer Vollzeit- und einer Halbtagsstelle und identischer 100-Quadratmeter-Wohnung. Beim Erreichen des Rentenalters würden demnach einem Eigentümerhaushalt nach Abzug aller Kosten 2200 Euro netto zum Leben verbleiben, einem Mieterhaushalt nur 1450 Euro. „Die Miete zwingt die Menschen dazu, im Alter den Gürtel erheblich enger zu schnallen“, sagte Günther dazu.

Wer nach einem Durchschnittsgehalt mit Durchschnittsrente von 1500 Euro zur Miete wohne, habe ein noch ein verfügbares Einkommen – nach Wohnkosten – von 486 Euro, rechnete Günther vor. „Damit kann er unmittelbar ergänzende Grundsicherung beantragen.“ Ein Eigentümer stehe am Ende deutlich besser da, müsse aber einen temporären Konsumverzicht in Kauf nehmen. Dagegen stehe der dauerhafte Konsumverzicht eines Rentners, der zur Miete wohne.

erschienen in der PNN am 18.01.2025 von Reinhard Bünger.